Die Kuh-Klima-Lüge

Erstellt am von auf Overton

Die beiden hier arbeiten im Naturschutz. Im nördlichsten Naturschutzgebiet Deutschlands, dem Rickelsbüller Koog. Da wo die Landwirtschaft die meisten Treibhausemissionen verursacht. Müssen die beiden deshalb weg? | Foto: Florian Schwinn
Die beiden hier arbeiten im Naturschutz. Im nördlichsten Naturschutzgebiet Deutschlands, dem Rickelsbüller Koog. Da wo die Landwirtschaft die meisten Treibhausemissionen verursacht. Müssen die beiden deshalb weg? | Foto: Florian Schwinn

Kühe zerstören das Klima, weil sie das Treibhausgas Methan ausstoßen? Unfug, erklärt Florian Schwinn. Die Kuh-Klima-Lüge ist ein Märchen.

Ein Narrativ, sagt Wikipedia, sei eine „sinnstiftende Erzählung (…), die Einfluss auf die Art hat, wie die Umwelt wahrgenommen wird. Heute soll es hier einmal mehr um ein Narrativ zum Thema Landwirtschaft gehen. Allerdings um eines, das eher Unsinn stiftet. Ganz so, wie das in einem früheren Podcast der hessische Biobauer Dieter Euler schon gesagt hat: „Neunzig Prozent der sogenannten Narrative über die Landwirtschaft stimmen nicht, oder sie stimmen so nicht. Der Fakt als solcher stimmt, aber die Schlüsse, die daraus gezogen werden, sind falsch oder unsinnig.“

Damals ging es um den Unsinn, dass, um ein Kilogramm Fleisch wachsen zu lassen, ein Rind über 15.000 Liter Wasser verbrauche. Für jedes einzelne Kilo Rindfleisch. Ich hatte die damalige Ausgabe des Podcasts und des zugehörigen Blogs „Die Fleisch-Wasser-Lüge“ getauft. Heute geht es um den Unsinn, dass die Kuh das Klima zerstört, weil sie das Treibhausgas Methan ausstößt. Entsprechend nenne ich diese Ausgabe mal einfach „Die Kuh-Klima-Lüge“.

Handlungsbedarf?

1.840 1.820 1.800 1.780 1.760 1.740 1.720 1.700 1.680 1.660 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 Konzentration
Methankonzentration in der Atmosphäre
nach der Statistik der ESRL. Werte in
parts per billion, Milliardstel Teilen.
Quelle: Klimareporter

Nirgendwo in Deutschland ist die Landwirtschaft so klimawirksam wie ganz im Norden. In Schles­wig-Holstein stammt fast ein Viertel der Treib­haus­gase aus der Landwirtschaft. Im Bundes­durch­schnitt ist die Landwirtschaft für acht Prozent der Treibhausgase verantwortlich, in Schleswig-Hol­stein aber für fast ein Viertel. 22 Prozent sind es genau, nachzulesen im „Bericht zur Entwicklung der Treib­haus­gas­emissionen der Landwirtschaft in Schles­wig-Holstein. Das liegt daran, dass im hohen Norden wenig Industrie das Klima anheizt.

Nirgendwo gibt es so viele Windräder und Solaranlagen, nirgendwo so viele Elektroautos. Der hohe Anteil der Landwirtschaft an den berechneten Treibhausgasemissionen ist also nur ein relativer.

Dennoch besteht dringender Handlungsbedarf. Das sagt der grüne Umweltminister Tobias Goldschmitt ebenso wie der Landwirtschaftsminister von der CDU. Wobei Werner Schwarz, bis er Minister wurde, Präsident des Landesbauernverbandes war. Ihn beauftragt der schwarz-grüne Koalitionsvertrag mit dem Aufbau eines „Kompetenzzentrums für klimaeffiziente Landwirtschaft“.

Was dieses Kompetenzzentrum an großen Themen beackern wird, darf man schon jetzt vermuten: das Lachgas aus dem Dünger und natürlich das Methan aus dem Verdauungstrakt der Rinder.

Die Tierärztin Anita Idel, bekannt für ihren Sachbuchbestseller „Die Kuh ist kein Klima-Killer“, spricht von einem Mythos, für dessen Erfindung sie gerne die fossile Industrie beglückwünscht, also Aral, BP und Co. Biobauer Dieter Euler vermutet hinter dem Narrativ von der klimazer­rülp­senden Kuh eher die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch.

Er habe im Landwirtschaftsstudium gelernt, dass die Kuh Methan rülpst. Eine lange bekannte Tatsache. Als das aber irgendwann in den 2000er Jahren dem ehemaligen Greenpeace-Vorsitzenden und damaligen Foodwatch Geschäftsführer Thilo Bode bekannt wurde, da wurde daraus ein Skandal gemacht. „Denn Methan ist ja klimaschädlich.“

Früher hätte er in einem solchen Fall gesagt: „Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Heute denkt er anders und sagt: „Herr vergib ihnen nicht, denn sie sollen sich einfach mal schlau machen.“

Methan woher?

Also, machen wir uns mal schlau.

Methan ist CH₄, besteht also aus vier Teilen Wasserstoff und einem Teil Kohlenstoff. Fossiles Methan holen wir aus der Erde, um es zu verbrennen. Dann nennen wir es Erdgas. Wenn uns Wladimir Putin den Gashahn zudreht, nennen wir das Energiekrise, weil wir das Methan dann teurer anderswo einkaufen müssen. Zum Beispiel da, wo es via Fracking aus dem Boden gelöst wird, wobei erhebliche Methan-Verluste entstehen. Auch bei der Förderung von Erdöl entweicht fossiles Methan.

In der Atmosphäre ist Methan laut Umweltbundesamt 25-fach klimawirksamer als Kohlendioxid. Das allerdings nur relativ kurze Zeit, dann ist es zerfallen. Es kommt allerdings immer mehr neues Methan nach.

1.125 1.100 1.075 1.050 1.025 1.000 975 950 1990 2000 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 1.098,2 1.026,6 1.011,52 990,96 1.001,72 1.008,4 969,06 963,21 968,28 979,44 983,3 988,22 999,66 1.011,12 Rinderbestand in Millionen Tieren
Statistik der weltweiten Rinderhaltung. Menge in Millionnen.
Quelle: Statista

Die US-amerikanischen Earth System Research Laboratories, also die Labors für Erdsystem­forschung, messen für die Klimaforschung weltweit die Treibhausgase. Die vom ESRL erstellte Statistik für Methan verzeichnet einen steilen Anstieg. Von rund 1600 parts per billion, also Milliardstel Anteilen im Jahr 1985, ging es steil nach oben bis fast 1800 ppb Anfang der 2000er Jahre. Dann blieb der Anteil des Methans in der Luft etwa gleich, bis 2006 erneut ein Anstieg um weitere hundert ppb bis heute einsetzte.

Hat das irgendetwas mit der Population der Rinder auf der Erde zu tun? Könnten sie für den Anstieg des Methans in der Atmosphäre verantwortlich sein.

Die weltweite Rinderstatistik zeigt im Gegenteil seit 1990 steil nach unten. Bis 2016 nahm der weltweite Rinderbestand um hundert Millionen Tiere ab. 2016 waren es dann nur noch 963 Millionen. Inzwischen werden wieder etwas über eine Milliarde Rinder auf der Erde gehalten. Die beiden Statistiken haben offensichtlich nichts miteinander zu tun.

Und die eine Milliarde Rinder auf der Erde heizen das Klima auch nicht zusätzlich an, wenn der Rinderbestand gleichbleibt oder sogar sinkt, sagt Wilhelm Windisch, Professor für Tierernährung an der Technischen Universität München.

Ursache Evolution

Professor Windisch ist eine gute Adresse, wenn man sich erklären lassen möchte, wieso die Rinder und andere Wiederkäuer eigentlich Methan emittieren. Sie sind vor Millionen Jahren mit Mikroorganismen eine Liaison eingegangen. Die winzigen Einzeller in ihrem Verdauungssystem schließen ihnen die für uns unverdauliche Nahrung auf. Sie ermöglichen es den Tieren, dass sie sich von Gras ernähren können.

Mit den Wiederkäuern entstanden die Graslandschaften. Denn das Weidegras ist in Koevolution mit den Weidetieren entstanden. Sie regen durch ihren Verbiss das Wachstum der Gräser an. Und die ehemaligen Graslandschaften, die Savannen, sind bis heute die fruchtbarsten Gebiete der Erde.

Nicht die Kuh produziert also Methan, sondern die Mikroorganismen tun das, mit denen sich die Rinder im Laufe der Evolution symbiotisch eingelassen haben. Denn nur mit Hilfe der kleinsten Lebewesen ist es ihnen gelungen, die Energie der Zellulose für sich nutzbar zu machen. Wir können uns von Gras nicht ernähren. Wir haben die Graslandschaften im Laufe unserer Evolution zwar genutzt. Hergestellt und erhalten haben sie allerdings die Weidetiere.

Anaerob

Methan entsteht übrigens in den Mägen der Wiederkäuer nur, weil es dort anaerob zugeht. Es gibt dort keinen Sauerstoff, mit dem der Kohlenstoff zu schlichtem Kohlendioxid, also direkt zu CO₂ werden könnte. Dort arbeiten Mikroorganismen, die keinen Sauerstoff atmen müssen.

Dasselbe geschieht übrigens auch in anderen von der Luft getrennten Lebensräumen. In dem von uns künstliche erschaffenen Lebensraum der Biogasanlage zum Beispiel. Aber auch, wenn organisches Material in Sümpfen verrottet. Oder auch in den künstlich vernässten Reisfeldern.

Die asiatischen Bauern dürften sehr dankbar sein, dass der Reis noch nicht zum Klimakiller erklärt wurde.

Mehr Rinder!

Die großen Weidetiere sorgen für fruchtbare Landschaften und helfen CO₂ als Humus im Boden zu speichern. Hier in der Serengeti, vormals auch bei uns in Mitteleuropa. Die alten Graslandschaften sind heute die besten Äcker. | Foto: Nevit Dilmen
Die großen Weidetiere sorgen für fruchtbare Landschaften und helfen CO₂ als Humus im Boden zu speichern. Hier in der Serengeti, vormals auch bei uns in Mitteleuropa. Die alten Graslandschaften sind heute die besten Äcker. | Foto: Nevit Dilmen

Schauen wir doch nochmal in den echten Norden – nach Schleswig-Holstein. Dort stellten Landwirtschafts- und Umweltminister gerade fest, dass die hohe Rinderdichte im Land auch für den im Bundesdurchschnitt vergleichsweise größeren Methanausstoß verantwortlich ist. 1,07 Rinder pro Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche.

Bioanbauverbände wie Demeter empfehlen ihren Mitgliedsbetrieben anderthalb Großvieheinheiten pro Hektar, also ein halbes Rind mehr. Nicht abbauen, sondern aufbauen müssten wir den Rinderbestand also eigentlich. Zumindest dann, wenn wir vielleicht dann doch mal auf Kunstdünger verzichten sollten, weil, ja weil Putin das so will. Der meiste Kunstdünger nämlich wird mit Hilfe von Erdgas produziert. Übrigens mit einem Verfahren, für die die Entwickler Fritz Haber und Carl Bosch 1918 und 1931 den Nobelpreis bekamen. Und für die chemisch vollständige Erklärung des Haber-Bosch-Verfahrens dann Gerhard Ertl noch einmal 2007.

Aber sollten wir heute noch mit fossiler Energie Stickstoff aus der Luft in den Boden bringen? Von wo aus das Zuviel dann in Gewässern und Grundwasser als Nitrat gelangt. Zuvor allerdings ist noch ein Teil des Stickstoffs zu Lachgas oxydiert: Distickstoffmonoxid, N₂O. Achtung: dreihundertmal klimawirksamer als Kohlendioxid. Soll das trotz Klimawandel und Energiekrise so weitergehen, oder machen wir’s doch lieber mit der Kuh und ihrem Dung?

Die Rinder und die anderen Weidetiere haben unsere Landschaften fruchtbar gemacht. Sie haben sie gedüngt für Jahrtausende. Wir zehren davon. Das geht aber nicht ewig so weiter, wenn wir die Tiere nicht mehr rauslassen aus den Ställen, wenn wir sie nicht das machen lassen, was sie am besten können: weiden.

Deshalb plädiert nicht nur Anita Idel nicht für weniger, sondern für mehr Rinder. Die dann aber draußen und von robustem Wesen. Keine Hochleistungskühe, die Kraftfutter brauchen; keine Fleischrassen, die nur wachsen können. Zweinutzungsrinder, die auch das ganze Jahr draußen bleiben können, wo die Landschaft das möglich macht.

Also: Mehr Rind statt weniger. Aber was schreib ich hier so lange rum: Einfach anhören den Podcast!


Kommentare

  1. A.F. sagt:
    [6. Oktober 2022 um 8:40 Uhr]

    Hatten wir das nicht schon mal hier?!
    Natürlich ist DIE KUH nicht der Klimakiller, sondern der Mensch, der für ihre grauenhafte Tiersklavenhaltung diese Tiere (und nicht nur die) in Massen in Ställe sperrt und für ihre Ernährung unendlich Wälder abholzt zum Zwecke des Futteranbaus. Und auch die Viehweiden, die da kilometerweit statt Regenwald süd- und mittelamerikanische Länder bedecken sind kein Beitrag zum Klimaschutz. Es gilt schlicht: Die Massentierhaltung macht’s, ob im Stall oder auf der Weide.
    Ich esse übrigens kein Fleisch, kaufe mir aber einmal im Monat in einer Marktschwärmerei Joghurt und Käse von einem regionalen Bauern, dessen Rinder erstens das ganze Jahr über auf der Weide stehen und zweitens, deren Kälber mindestens bei einer Amme leben, wenn nicht inzwischen mehr muttergebundene Kälberaufzucht betrieben wird. Das kostet halt mehr und mehr als einmal im Monat kann ich es mir nicht leisten, aber es schmeckt auch entsprechend. Achja, und inzwischen dürfen sie die Rinder auch auf der Weide schießen. Der Hof Stolze Kuh ist das und das ist grundsätzlich die einzig ethisch vertretbare Tierhaltung. Das heißt aber Abschied vom Massenkonsum tierischer Produkte, von denen ein Großteil auch noch auf dem Müll landet. Hinzu kommt ja auch das Gülleproblem all der in Massen gehaltenen Tiersklaven, das das Grundwasser verseucht. Also letztlich geht es bei der Diskussion genau darum und nicht um DIE KUH als Klimakiller.

  2. Victor Void sagt:
    [6. Oktober 2022 um 10:25 Uhr]

    Daraus, dass die Statistiken zur Rinderhaltung und zum Anteil des Methans in der Atmosphäre nicht korellieren, schließt der Autor also, dass die Rinder nichts zum steigenden Methananteil beitragen? Das ist eine gewagte These. Genauso könnte ich behaupten, dass Autos nichts zum CO₂ Gehalt beitragen, weil der ja schon wegen industrieller Abgase und Holz/Kohleheizungen hoch war, bevor das Auto erfunden wurde.

    Antworten

    1. Noname sagt:
      [6. Oktober 2022 um 12:34 Uhr]

      Lerne den Unterschied zwischen „steigendem Methananteil“ und „Anstieg des Methananteils“.
      Konstanter Rinderbestand ist für konstanten Methananteil verantwortlich, der Anstieg kommt woanders her.
      Wichtiger wäre mir die Gesamtrelation: wieviel Tonnen Methan von wieviel insgesamt kommen vom Rind? (Wird ja im Artikel auch nicht genannt, oder hab ich es überlesen?) Und: Was macht eine Steigerung der Rinderanzahl um 4% innerhalb der letzten 6 Jahre für einen Effekt?

    2. Rudi sagt:
      [6. Oktober 2022 um 12:35 Uhr]

      Er ist aber später stark angestiegen.

  3. wrmfr sagt:
    [6. Oktober 2022 um 10:40 Uhr]

    Danke für den Artikel!

  4. Gaga sagt:
    [6. Oktober 2022 um 11:24 Uhr]

    Nicht wirklich wiederlegt…. Inhaltlich eher schwurblig

  5. PRO1 sagt:
    [6. Oktober 2022 um 15:11 Uhr]

    E-Auto, Windräder, Solar alle benötigen Rohstoffe die aus sehr verschiedenen Teilen der Welt stammen. Diese Rohstoffe werden unter widrigen Bedingungen abgebaut, dann werden diese transportiert und wieder andere Teile werden zusätzlich an verschiedenen Orten gefertigt um natürlich transportiert zu werden. Alleine der Produktionszyklus verursacht ein vielfaches an Emissionen die das Rindvieh niemals bewerkstelligen kann, sind aber ökologisch zertifiziert.
    Die Obszönität der Lügen kennt kaum noch grenzen, ausser Rinderwahnsinn, Schweinepest oder Vogelgrippe denn diese waren „Naturphänomene“…

  6. Pnyx sagt:
    [6. Oktober 2022 um 17:06 Uhr]

    „Zumindest dann, wenn wir vielleicht dann doch mal auf Kunstdünger verzichten sollten, weil, ja weil Putin das so will.“ Hä? Putin will was? Wie wärs, ausnahmsweise zu versuchen, den Propagandaschrott aussen vor zu lassen?

    Kühe fördern die Fruchtbarkeit – von Weiden, das nützt unter anderem ihnen selbst, macht aber nicht Felder fruchtbarer. Diese profitieren von Rinderhaltung nur indirekt, nämlich durch Ausbringen von Gülle, bekanntlich eine ebenfalls nicht ganz unbedenkliche Praxis.

    Hier werden diverse Problemkreise vermischt, namentlich der atmosphärische Metabolismus bzw. die von Methan darin gespielte Rolle und die Ertragsproblematik in der Feldfruchtproduktion bzw. die Weise wie die für diese notwendigen Stoffe nachgeliefert werden. In beiden Fällen entstehen die Probleme aufgrund eines Beschleunigungsprimats, der das Verhältnis zwischen Input und Output ständig verschlechtert. Man muss laufend überproportional mehr aufwenden, um eine weitere Steigerung zu erreichen.

    Dass Wiederkäuer Methan rülpsen ist eine nicht wegzudiskutierende Tatsache, ebenso aber, dass die Steigerung des Methanausstosses nicht Rindern sondern Kapitalisten anzulasten ist, die ihre Investitionen in Wert halten wollen und daher auf ‚unkonventionelle‘ Gasförderung zurückgreifen, was gegenwärtig vermittelt durch die Eskalation der kapitalistischen Krise und das daraus resultierende Abrutschen in kriegerische Auseinandersetzungen noch weiter befördert wird. Zusätzlich spielen auch schon Sekundäreffekte der klimatischen Aufheizung eine Rolle, etwa auftauendes Permafrostgebiet.

    Fazit – Industrie und also auch industrielle Landwirtschaft ist das Problem. Sekundär die durch sie ermöglichte übermässige Steigerung der Weltbevölkerung.

    Antworten

    1. Christa Meist sagt:
      [8. Oktober 2022 um 10:34 Uhr]

      Ich teile die im Fazit zusammengefasste Einschätzung, habe aber Bedenken hinsichtlich der damit verbundenen Formulierung „übermäßige Steigerung der Weltbevölkerung“.
      1. Als „übermäßig“ wird die Vermehrung der Weltbevölkerung schon länger angesehen. Seltsamerweise immer dann, wenn eine aktuell wirksame gesellschaftlich-politische Strömung einen Grund sucht, andersartige Mitmenschen zu dezimieren um Profite zu steigern oder – je nach Interessenlage – die eigene moralische/gesellschaftliche Überlegenheit zu bekräftigen. Notfalls mit Gewalt. Zyniker verweisen gelegentlich auf die regulierende Funktion von Kriegen, die – ganz gleich auf welchem technischen Niveau – immer mit einer Verschlechterung des Nahrungsangebots verbunden waren und sind und massenweisen Tötungen der eigenen Art. Das hat bisher eigentlich immer gut funktioniert.
      2. Vermehrung ist immer „übermäßig“, wo vorteilhafte Bedingungen für eine bestimmte Art vorliegen. In den stofflichen Kreislaufen der Erde werden solche Übermäßigkeiten schnell korrigiert, weil sich vorteilige und nachteilige Bedingungen in ihrem Verhältnis ständig ändern. Jegliche Population – Menschen eingeschlossen – ist im Stoffwechsel der Erde zahlenmäßigen Schwankungen unterworfen. Die „übermäßige“ Vermehrung der Menschen dürfte der Tatsache geschuldet sein, dass der westlich sozialisierte Mensch sich anmaßt, im Auftrag des Herrn unterwegs zu sein. Wäre dem nicht so, würde er besser mit seiner individuellen Vergänglichkeit und den Beschränkungen zurechtkommen, die ihm seine individuellen Voraussetzungen und die Umwelt auferlegen.
      3. Nicht aus dem Auge verlieren sollte man die Tatsache, dass es durchaus unterschiedliche Umgangsweisen mit dem Problem „Übervölkerung“ gibt: von der Propagierung der Ein-Kind-Familie über das einfache Verhungernlassen bis hin zu beabsichtigter – operativer oder chemischer – Beeinflussung der Fertilität und der Nachzucht durch Methoden wie künstliche Befruchtung und Leihmutterschaft. Oft auch gegen den Willen der Betroffenen und in aller Regel ausschließlich profitorientiert.
      4. Sollte sich die Vorstellung von den vierlei Geschlechtern durchsetzen, könnte das Programm „Nachkommenschaft“ auch durch medizintechnisch herbeigeführte Bauchhöhlenschwangerschaften gleichgeschlechtlicher Paare gelöst werden. Je nachdem wie sich eine/r in dem Lebensabschnitt gerade so fühlt. Ist es nicht besonders schön Mutter zu werden, wenn man ohne körperliche Eingriffe – notfalls an anderen – zufällig eigentlich dazu nicht in der Lage wäre? Noch dazu, wenn die Kosten der nötigen Eingriffe einen höheren materiellen Status anzeigen und die damit befasste Industrie boomt.

      Wer regelt? In wessen Interesse? Die Frage kommt mir irgendwie bekannt vor.

  7. EvodurchKoop sagt:
    [6. Oktober 2022 um 18:43 Uhr]

    Das Problem mit der Rindern liegt auf einem ganz anderen Gebiet, von dem Schwinn offenbar noch nie was gehört hat:
    `*Für die Nutztierhaltung werden weltweit nahezu 80 % aller angebauten Früchte bzw. genutzten fruchtbaren Böden vernutzt, was zu zahlreichen Folgeproblemen führt:
    -Der Welternährung werden dadurch Unmengen an Lebensmittel bzw. Kilokalorien bzw. Nährstoffe für unseren Luxuskonsum an tierischen Produkten entzogen, was unmittelbar für Hunger verantwortlich ist. So wird Deutschland z.B. aus Namibia, Somalia, Senegal mit Rindfleisch beliefert. Und niemand schämt sich dafür.
    -Die EU benötigt eine Fläche in der Größe Deutschlands für Futtermittel aus Südamerika, vor allem aus Amazonien, was die Abholzung des größten Urwaldes der Welt, der für ein gemäßigtes Klima weltweit zentral ist, unmittelbar beschleunigt.
    -Diese Futtermittelimporte, die hauptverantwortlich dafür sind, dass Deutschland im Agrarbereich eine negative Außenhandelsbilanz hat (ca. 10 Mrd. jährlich, bei ca. 70 Mrd. Import und 60 Export, bedingen einen erheblichen Überschuß an Gülle vor allem bei den großen Massentierhaltungsbetrieben (siehe Niederlande), der zur flächendeckenden Verschmutzung des Grundwassers mit Nitrat führt.
    -Die Umweltschäden dieser Massentierhaltung und Monokulturen (Mais) liegen nach neuesten Berechnung beim Vierfachen des Bruttoproduktionswert der europäischen Landwirtschaft. Allein die Kosten für die Wasserreinigung in Frankreich übersteigen den Nettoproduktionswert der französischen Landwirtschaft bei weitem.
    *Der Ernährungssektor verursacht kaum zu glaubende 50 % der weltweiten Treibhausgasemissionen, wobei die Landnutzungsänderungen für Tierfutter, Kunstdünger und Spritzmittel für Soja und Mais den Hauptanteil ausmachen.
    *Das Methan spielt dabie eine ziemlich untergeordnete Rolle.

    Antworten

    1. Mathematiker sagt:
      [6. Oktober 2022 um 21:52 Uhr]

      „Der Ernährungssektor verursacht kaum zu glaubende 50 % der weltweiten Treibhausgasemissionen“. Das könnte glatt von der Autostadt GmbH Wolfsburg stammen. Die behauptete vor einiger Zeit, dass die Landwirtschaft für 14% der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich seien. Es wäre spannend zu erfahren, woher die die restlichen 36% kommen sollen.

      Ein anderes Mitglied meines Haushaltes hat mich gerade auf folgenden Sachverhalt hingewiesen: Zum Ernährungsektor gehören natürlich auch:
      – ggf. Fahrt zum Supermarkt mit dem Auto, Energieverbrauch beim Betrieb des Supermarktes (anteilig auf Lebensmittel), Emissionen, die die Angestellten des Supermarktes verursachen
      – Energieverbrauch bei der Zubereitung von Speisen, Energieverbrauch für Herstellung von Herd, Töpfen, Geschirr.

      So kommt man der Sache vermutlich schon recht Nahe, wenn man vom Ernährungssektor spricht.

    2. Christa Meist sagt:
      [8. Oktober 2022 um 11:08 Uhr]

      Ich für meinen Teil habe diese Form der Nahrungsmittelerzeugung und die kapitalistisch globalisierte Welt nicht gewollt. Auch niemand in meiner bäuerlichen Verwandtschaft. Die ersten Diskussionsrunden zur Frage der Globalisierung habe ich in den achtziger Jahren geplant und durchgeführt. Mensch braucht zum Überleben Brot, Wasser und ein paar Mineralien, die er sich in verhältnismäßig engen geographischen Räumen verschaffen kann. Diese Überlebensmittel in einem überschaubaren Raum leidlich gleich/gerecht zu verteilen ist kein Kunststück, denn sie stehen in den bewohnten Weltgegenden in unterschiedlicher Zusammensetzung zur Verfügung. Mir geht langsam diese Debatte auf den Geist, die von fragwürdigen Zahlen ausgeht, sich ständig auf moralische Aspekte bezieht und gegenwärtig von der irrigen Annahme angeleitet wird, dass vorrangig der westlich-europäisch sozialisierte Mensch ein Recht hat auf ein stofflich optimiertes, nach Möglichkeit ewiges Leben. Die Versorgung der Bewohner Europas anlässlich des Valentinstages mit kenianischen Biorosen ist genauso bekloppt wie die Aufzucht von Schweinen mit Futtermitteln aus anderen Weltgegenden, weil die Eicheln nicht reichen.

  8. Mathematiker sagt:
    [6. Oktober 2022 um 20:38 Uhr]

    Ich bin immer etwas skeptisch, wenn ich solche Grafiken sehe, bei denen durch die Skalierung ein wildes Auf und Ab suggeriert wird. Statista schreibt dazu: „Der weltweite Rinderbestand blieb in den vergangenen Jahren auf einem relativ konstantem Niveau.“
    Da ich Statista nicht mag, habe ich mal versucht an anderer Stelle zu recherchieren. Die FAO bietet dazu eine umfangreiche Datensammlung zu allen erdenklichen landwirtschaftlichen Produkten und auch zu Viehbeständen an. Dort wird man unter Eingrenzung auf Stock, Cattle und World fündig. Die Werte dort sind:
    1990: 1,297 Mrd.
    1995: 1,330 Mrd.
    2000: 1,320 Mrd.
    2005: 1,375 Mrd.
    2010: 1,412 Mrd.
    2015: 1,452 Mrd.
    2020: 1,526 Mrd.
    Es gibt also einen kontinuierlichen Anstieg (außer in den späten 1990 Jahren minimal). Das wäre auch nicht anders, wenn ich noch weiter zurück ginge oder die Jahre dazwischen dazu nähme.

    Antworten

    1. Mathematiker sagt:
      [6. Oktober 2022 um 22:04 Uhr]

      Mir ist gerade noch aufgefallen, dass es in der FAO-Datei neben Cattle noch Buffaloes, aktuell 0,204 Mrd. Die muss man wohl, wenn es um Methan geht, noch dazu rechnen.

  9. Jörg Binder sagt:
    [7. Oktober 2022 um 1:36 Uhr]

    Tierhaltung, egal ob zu Milcherzeugnissen oder Fleisch ist Tierquälerei! Ob es für das „Klima“ gut oder schlecht ist, spielt keine Rolle! Ein gutes und gesundes Leben ohne diese Tierqualerzeugnisse ist ohne Probleme machbar. Man könnte sogar Rinder zur „Naturpflege“ halten ohne das wir Menschen sie ausbeuten!