Das Zulassungsdesaster: Lobbyarbeit und Rechtsbruch im Fall der mRNA-Präparate?

Juristen haben bei der Zulassung der neuartigen mRNA-Präparate gegen Covid-19 schwere Mängel festgestellt. Ein Gastbeitrag zur Corona-Debatte.

René M. Kieselmann und andere

Berliner Zeitung am 10.02.2023 | 07:50 Uhr

Michael Kappeler/dpa
Impfen als Massenaktion: Corona-Impfzentrum auf dem Messegelände, April 2021

Während der Corona-Pandemie richtete sich die Hoffnung der Politik und vieler Bürger früh auf mögliche Impfstoffe gegen das Virus Sars-CoV-2. Diese sollten die Pandemie beenden helfen und möglichst jene Menschen schützen, die von einem schweren Corona-Verlauf bedroht waren. Deshalb war bei der Impfstoffentwicklung, die bereits im Frühjahr 2020 begonnen hatte, vor allem Schnelligkeit die Devise. Für den folgenden Text haben sich drei Rechtsprofessoren, ein Rechtsdozent und drei Rechtsanwälte aus der juristischen Praxis die Umstände und das Verfahren bei der behördlichen Zulassung der neuartigen mRNA-Präparate genau angesehen. Sie stellen dabei schwere Mängel fest und machen Vorschläge, worauf künftig besser geachtet werden muss. Hier der Gastbeitrag zu unserer Corona-Debatte:

Holger Friedrichs Aufforderung, „ohne Themenverbote, ohne Denkverbote“ in die Debatte über Lehren aus den Corona-Jahren einzusteigen, nehmen wir gerne an: Gesprochen werden muss über das Zulassungsverfahren für die neuartigen Corona-Impfstoffe. Hier haben wir es mit einem Skandal zu tun, aus dem wir dringend Konsequenzen für die Zukunft ziehen müssen.

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) und die EU-Kommission haben zusammen mit nationalen Behörden Gentherapeutika für eine „Impfung“ gegen Infektionskrankheiten zugelassen. Solche Injektionen sind keine Impfung im herkömmlichen Sinn. Sie widersprechen nämlich der Charakterisierung einer Impfung – wie sie sich etwa in der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates von 2001 findet (Anhang I Teil 3 Ziffer 1.2). Denn sie enthalten keine Antigene, sondern den Bauplan für Teile des Virus, Fremdstoffe, die der Körper selbst herstellen soll.

Genbasierte Arzneimittel unterliegen hohen Prüfstandards

Aufgrund dessen führt die Injektion unmittelbar dazu, dass der Körper einen Schadstoff – und nicht wie bei herkömmlichen Impfungen unmittelbar einen spezifischen Abwehr- oder Schutzstoff (§ 4 Abs. 4 AMG) – selbst herstellt, siehe Arzneimittelgesetz (AMG) § 4 Abs. 4. Die Bildung von Antikörpern und damit Schutzstoffen erfolgt erst im zweiten Schritt. Die Zulassung von Gentherapeutika als Impfung erfolgte auf einer von den allgemeinen Anforderungen an neue Arzneimittel (speziell Impfungen sowie insbesondere Gentherapeutika) abweichenden und entsprechend wissenschaftlich wie medizinrechtlich fragwürdigen Grundlage. Dieses führt zu unabsehbaren Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung. Zwei wesentliche Aspekte werden nachfolgend dargestellt.

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Eine Mitarbeiterin von Moderna bei der Herstellung eines Corona-Impfstoffs.

Genbasierte Arzneimittel, die für wenige Patienten mit sehr speziellen Krankheitsbildern bestimmt sind, unterliegen hohen Prüfstandards – absurderweise nicht aber solche genbasierte Arzneimittel, die juristisch als „Impfstoffe für Infektionskrankheiten“ deklariert sind und gesunden (!) Menschen injiziert werden. Von diesen „Impfstoffen“ wurden seit 2021 Stand 2. Dezember 2022 nahezu eine Milliarde Dosen an Menschen in der EU verabreicht – bis Oktober 2022 auf Basis lediglich bedingter Zulassungen.

Dazu kam es durch den Einfluss mächtiger Lobbys: Mit der Richtlinie Nr. 2009/120/EG hat die EU-Kommission schon im Jahr 2009 ohne Mitwirkung des Europäischen Parlaments „Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten“ durch rechtliche Umdefinition aus der Gruppe der besonders regulierten Gentherapeutika ausgenommen: „Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten sind keine Gentherapeutika.“ Diese Definition wurde erst nach einer Stellungnahme der pharmazeutischen Industrie abgeändert. Der ursprüngliche Richtlinienentwurf hatte zugunsten des Schutzes der öffentlichen Gesundheit eine weite Definition des Gentherapeutikums vorgesehen, unter die auch die genbasierten Covid-19-Injektionen gefallen wären.

Pharmaunternehmen: Sicherheitsauflagen verteuern Produktion von mRNA-Therapeutika

Aber die Pharmaunternehmen machten unter anderem geltend, dass die im Richtlinienentwurf vorgesehenen scharfen Sicherheitsauflagen die Produktion von mRNA-Gentherapeutika wesentlich verteuern. Die EU-Kommission änderte in der Folge den Text der Richtlinie.

Der Ausschluss genbasierter Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten aus der Gruppe der Gentherapeutika erspart den Herstellern zahlreiche zeitlich und finanziell aufwändige präklinische Studien. Diese sind für die Beurteilung der Sicherheit des Arzneimittels und der an klinischen Studien teilnehmenden Personen essenziell.

Klinische Studien dürfen grundsätzlich nicht ohne die Ergebnisse präklinischer Studien begonnen werden. Sie beleuchten normalerweise unter anderem die Verteilung der Impfstoffe im Körper – im Fall von Gentherapeutika einschließlich der Gefahr eines Gentransfers in die Keimbahn –, mögliche Änderungen im genetischen Material von Zellen (Genotoxizität), Krebsrisiken, den Einfluss der Impfstoffe auf wichtige Parameter für Grundfunktionen des menschlichen Körpers (Sicherheitspharmakologie) und Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln.

Mehrjährige, Placebo-kontrollierte Studien sind „Goldstandard“

Die Folge der Umdefinition: Bis heute ist nicht wissenschaftlich belegt, ob die massenhaft verabreichten Präparate nicht doch genotoxisch oder krebserregend sind. Ungeachtet dessen wurden im Oktober 2022 die bedingten Zulassungen für Pfizer/Biontech und Moderna von der EU-Kommission auf Empfehlung des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) bei der EMA in reguläre Zulassungen umgewandelt!

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Spritzen mit Coronaimpfstoff

Damit hat die Kommission gegen rechtliche Vorschriften verstoßen, konkret gegen Art. 14-a Abs. 8 der Verordnung Nr. 726/2004/EG und Art. 7 der Kommissionsverordnung Nr. 507/2006/EG. Diese besagen: Eine bedingte Zulassung darf erst dann in eine reguläre Zulassung umgewandelt werden, wenn der Hersteller alle mit der bedingten Zulassung erteilten Auflagen erfüllt hat. So war ursprünglich Bedingung, Placebo-kontrollierte klinische Studien fortzuführen und deren Ergebnisse bis Ende 2023 beziehungsweise Mitte 2024 vorzulegen.

Mehrjährige, Placebo-kontrollierte Studien sind für Zulassungsbehörden weltweit der „Goldstandard“, um Wirksamkeit und (Langzeit-)Sicherheit von Arzneimitteln nachzuweisen. Ohne solche validen Studien muss die reguläre Arzneimittelzulassung laut Art. 12 Abs. 1 der Verordnung 726/2004/EG zwingend abgelehnt werden.

Auflösung der Kontrollgruppe verstieß gegen Zulassungsauflage

2021 wurde bekannt, dass Pfizer/Biontech und Moderna die Kontrollgruppen ihrer Studien, die nur Placebo verabreicht bekommen hatten, trotz ihrer Auflage aus der bedingten Zulassung aufgelöst haben. Als Grund zur Auflösung der Kontrollgruppe wurde angegeben, dass es ethisch problematisch sei, den ungeimpften Personen den Impfstoff vorzuenthalten. Voraussetzung sollte allerdings sein, dass die Wirksamkeit des Vakzins nachgewiesen sei. Ist es aber nicht vielmehr unethisch, ein Präparat zur allgemeinen Anwendung freizugeben, das nicht systematisch gegen die Kontrollgruppe auf längerfristige Wirksamkeit sowie vor allem die Faktoren der Sicherheit geprüft wurde?

Der CHMP-Ausschuss bei der EMA stellt diesen gegen die Zulassungsauflage verstoßenden Vorgang in seiner offiziellen Beurteilung des Pfizer/Biontech-Antrags auf Umwandlung der bedingten in eine reguläre Zulassung ausdrücklich fest. Er erkennt auch, dass aufgrund des Wegfalls der Kontrollgruppe die Fortführung der Studie sinnlos geworden ist, weil kein weiterer Erkenntnisgewinn zur Wirksamkeit und Sicherheit des Produktes mehr zu erwarten sei. Spurenbeseitigung in großem Ausmaß, Pharmabranche und Behörden behindern faktisch wissenschaftliche Aufklärung.

Statt aber umgehend, Mitte 2021, gemäß Art. 20a der Verordnung Nr. 726/2004/EG die Hersteller zu sanktionieren und die bedingte Zulassung zu ändern, auszusetzen oder zu widerrufen, geschah nichts. Jüngst also gewährte die Kommission sogar die reguläre Zulassung. Die Auflagenverletzung wurde damit faktisch noch belohnt.

Die Hersteller haben keinerlei Anreize für freiwillige Langzeitstudien

Langzeitdaten zur Sicherheit der mRNA-Impfstoffe können nun nicht mehr in Kontrollgruppen erhoben werden. Auch die US-amerikanische Gesundheitsaufsicht FDA und andere Behörden sind ähnlich großzügig. Die Hersteller haben keinerlei Anreize für freiwillige Langzeitstudien; sie beliefern nämlich nur solche Regierungen, die ihnen eine Haftungsfreistellung für Impfschäden gewährleisten. Die Zukunft wird zeigen, ob solche weitreichenden Freistellungen – zudem in Verträgen mit geheim gehaltenen, für die Öffentlichkeit geschwärzten Passagen – rechtlich haltbar oder unwirksam, weil sittenwidrig und gegebenenfalls kollusiv sind, also möglicherweise ein unerlaubtes Zusammenwirken mehrerer Beteiligter zur Schädigung von Dritten vorliegt. Umfassende eigene doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studien haben weder die EMA noch die Bundesregierung oder nachgeordnete Behörden veranlasst.

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Fahnen von Biontech vor dem Hauptsitz des Unternehmens in Mainz

Beobachtungsdaten aus der milliardenfachen Verabreichung der mRNA-Präparate können eine strenge, Placebo-kontrollierte Studie nicht ersetzen. Dies gilt erst recht bei einer derart mangelhaften Erhebung und Auswertung von Daten über mögliche Impfschäden, wie wir sie derzeit erleben.

Der Lobbyeinfluss bei den Zulassungen führte dazu, dass grundlegende Regeln im Medizinrecht ausgehebelt wurden: Wenn Gesunde geimpft werden, braucht man höhere Sicherheitsstandards, als wenn man schwer kranke Menschen mit Gentherapeutika einem Heilversuch unterzieht.

Zulassungsdesaster darf sich nicht wiederholen

Ein solches Zulassungsdesaster darf sich nicht wiederholen. Dazu ist es zuvorderst notwendig, die rechtliche Festlegung zurückzunehmen, genbasierte „Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten“ seien keine Gentherapeutika. Dies muss die Bundesregierung direkt bei der Europäischen Kommission betreiben. Darüber hinaus sollte das Vorgehen der EMA und der EU-Kommission sowie weiterer Beteiligter in der Corona-Krise von einem Untersuchungsausschuss wegen dringenden Verdachts auf Rechtsbruch durchleuchtet werden.

Die Autoren: RA René M. Kieselmann, Prof. Dr. Gerd Morgenthaler, Dr. Amrei Müller, Prof. Dr. Günter Reiner, RA Dr. Patrick Riebe, RAin Dr. Brigitte Röhrig, Prof. Dr. Martin Schwab

Gastbeiträge spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider.