Will der Iran einen neuen Holocaust?

_ von Virginia Tillev

Kriegsvorbereitung durch Zitatfälschung: Hat Ahmadinedschad wirklich gedroht, «Israel von der Landkarte zu tilgen»?

Iranische Mittelstreckenrakete im
Test: Marschflugkörper wie diese
könnten Israel erreichen. Droht ein
neuer Krieg im Nahen Osten?
Foto: picture alliance / abaca

_ Virginia Tillev ist Professorin für Politische Wissenschaft, US-Bürgerin und arbeitet in Südafrika. Sie ist Autorin des Buches «The One-State Solution: A Breakthrough for Peace in the Israeli-Palestinian Deadlock», 2005.

Erstveröffentlichung und Übersetzung in der Schweizer Wochenschrift «Zeit-Fragen». Wir danken der Redaktion für die auszugsweise Abdruck­ge­neh­mi­gung.

In dem furchterregenden Chaos im Nahen Osten müssen wir eine Sache klarstellen: Der Iran droht Israel nicht mit Zerstörung. Irans [damaliger] Präsident hat mit keinerlei Vorgehen gegen Israel gedroht. Wieder und wieder hören wir, dass der Iran sich eindeutig «für die Vernichtung Israels einsetzt», weil der «verrückte» oder «rücksichtslose» oder als «Hardliner» dargestellte Präsident Ahmadinedschad wiederholt gedroht habe, Israel zu zerstören. Das berüchtigtste Zitat - «Israel muss von der Landkarte gelöscht werden» - ist das am krassesten falsche. In seiner Rede im Oktober 2005 hat Ahmadinedschad das Wort «Landkarte» oder den Begriff «auslöschen» nie verwendet. Im Original hatte er gesagt: «In rezhim-e eshghalgar bayad az safhe-ye ruzgar mahv shavad.» Laut Experten der Farsi-Sprache wie Juan Cole und sogar rechtsgerichteten Anbietern wie MEMRI [israelische Nachrichtenplattform] zufolge heißt das übersetzt: «Dieses Regime, das Jerusalem besetzt, muss von der Seite der Zeit verschwinden.»

Was meinte er damit? In dieser Rede bei einer jährlich stattfindenden antizionistischen Konferenz war Ahmadinedschad prophetisch, nicht drohend. Er zitierte Imam Khomeini, der diese Worte in den 1980er Jahren sagte (zu der Zeit verkaufte Israel sogar Waffen an den Iran, offensichtlich wurde der Staat also damals nicht als so grässlich angesehen). Ahmadinedschad hatte seine Zuhörerschaft nur daran erinnert, dass das Schah-Regime, die Sowjetunion und Saddam Hussein alle enorm mächtig und unüberwindbar erschienen waren, dennoch seien die ersten beiden nahezu unwiderruflich verschwunden, und der dritte sieche nun im Gefängnis dahin. In diesem Sinne werde auch das «Besatzungsregime» in Jerusalem eines Tages vorbei sein. Seine Botschaft war im Wesentlichen: «Auch das wird vorübergehen.»

«Zerstörung Israels»?

Aufgrund ruchloser Pläne wird offensichtlich Ahmadinedschads Formulierung «das Besatzungsregime beseitigen» andauernd mit «Zerstörung Israels» übersetzt. Das Wort «Regime» bezieht sich auf ein Regierungssystem, nicht auf die Bevölkerungen oder Städte. «Das zionistische Regime» ist die Regierung Israels und dessen Gesetzessystem, das palästinensisches Land annektiert hat und Millionen von Palästinensern unter militärischer Besatzung hält. Viele anerkannte Menschenrechtsvertreter glauben, dass Israels «Regime» tatsächlich verändertwerden muss, auch wenn sie sich nicht einig sind, wie das geschehen soll.

Die Worte waren prophetisch, nicht drohend gemeint.

Einige hoffen, Israel könnte erlöst werden durch einen Wandel von Denken und Regierung(-ssystem), was eine Zwei-Staaten-Lösung zulassen würde. Andere glauben, dass der jüdische Staat als solcher schon ungerecht ist, da er in seiner staatlichen Regierungsform rassistische Prinzipien verankert hat, und fordern eine Umformung in eine säkulare Demokratie (Wandel des Systems). Keine dieser Vorstellungen von Regimewechsel bedeutet die Vertreibung der Juden ins Meer, ihre Vernichtung oder die Verwüstung ihrer Dörfer und Städte. Alle beinhalten grundlegenden politischen Wandel, der in den Augen vieler nötig ist, um einen gerechten Frieden zu schaffen.