![]() Du hast wohl den Arsch rechtsoffen!Von Roberto J. De Lapuente | 11. Februar 2024 Es gibt dieser Tage Modewörter: Umstritten ist eines. Ein anderes: Rechtsoffen. Eigentlich wissen die, die den Begriff anwenden, nicht was sie da reden. Rechtsoffen! Das sind Sie, lieber Leser. Weil Sie uns und vielleicht noch andere Angebote lesen, die mit dem Label »rechtsoffen« versehen werden könnten – oder schon versehen worden sind. Rechtsoffen ist jeder, der die vermeintlich liberalen Agenda nicht inhaliert hat. Als ich vor einiger Zeit einen hessischen Landtagsabgeordneten der Linken fragte, wieso er selbst im Interview gendert und ob er glaube, dass er damit Wähler generieren könne, antwortete er: »Zunächst stelle ich mal fest, dass niemand so oft über das Gendern spricht, wie die extreme Rechte.« Offen sein: Eine QualitätNatürlich! Jede Kritik ist rechts – und jede Weltanschauung, die der eigenen widerspricht oder sie auch nur nicht voll und ganz unterstreicht, muss ein Angriff von rechts sein. Anders kann es offenbar gar nicht mehr sein. Da steckt vermutlich Verfolgungswahn dahinter. Einen, den man braucht, um die eigene fehlende Kontur besser zu betonen. Hat der linke Abgeordnete nun gesagt, ich gehöre der extremen Rechten an, weil ich das Gendern aufgriff? Aber rechtsoffen muss ich wohl sein, wenn ich das Geschäft der extremen Rechten bestelle. Und was heißt rechtsoffen überhaupt? Offenheit wird gemeinhin positiv konnotiert. Wer auf der Partnersuche ist, wird nicht selten mit einer Tugend konfrontiert, die man sich für einen neuen Partner wünscht: Offen soll er sein. Für Neues. Für Reisen. Vielleicht auch für neue Genüsse. Offenheit wird nicht nur in diesem Bereich präferiert. Wenn jemand offen spricht, sein Innerstes offen ausschüttet, schätzen wir diese Eigenschaft gemeinhin durchaus: Sie weist nämlich auf Vertrauen hin. Das geht so weit, dass wir ein offenes Wort häufig als erlösend wahrnehmen – und denjenigen, der endlich in aller Offenheit spricht, attestieren wir, dass das für ihn doch nur gesund sein könne. Bei Bewerbungsgesprächen wird Offenheit nicht nur verlangt – wenngleich sie in fast allen Fällen nur gespielt wird –, der Personaler achtet gleichzeitig auf die Körperhaltung. Wie es Psychologen auch tun. Sitzt jemand mit verschränkten Armen da? Überkreuzt er eng seine Beine? Krümmt er den Rücken und zieht die Schulter zusammen, sodass der Brustkorb sich wölbt und geradezu einigelt? Ist das der Fall, fragt man nach dieser defensiven Haltung, der Verschlossenheit? Wer sich so präsentiert, dem traut man keine Offenheit zu. Und das gilt als negativ. Offenheit, die sie meinenOffen sollen wir ständig für Neues sein: Fürs Gendern. Neue Sensibilitäten. Offen für 72 Geschlechter und neue Impftechnologien. Auch dort wird Offenheit als etwas dargestellt, das grundsätzlich dem Guten dienstbar zur Hand ist. Diese Offenheit findet man chic, wird als Gewinn gefeiert. Und nun soll ein abwertender Begriff, der mit der Offenheit einhergeht, plötzlich als etwas Negatives verstanden werden? Offen zu sein bedeutet ja, dass man in eine Richtung unverstellt ist. Wenn sich jemand in einer Partnerschaftsannonce einen in der Kulinarik offenen Partner wünscht, sagt er ja im Wesentlichen, dass der neuen Partner noch kein großer Gourmet sein muss. Er sollte aber bereit sein, vielleicht einer zu werden. Jemand, der offen sprechen soll, erlangt ja auch nicht gleich die Weisheit und Einsicht, wie er nun zu handeln hat. Die Offenheit soll ihm aber vielleicht lotsen. Anders gesagt: Wer nun rechtsoffen sein soll, der ist überhaupt nicht rechts. Auch wenn die Nutzung dieses Begriffes zuweilen glauben lässt, dass diejenigen, die ihn als Wertung anderer gebrauchen, genau das glauben. Die oben beschriebene Tugend der Offenheit suggeriert noch eine Qualität: Toleranz nämlich. Oder Umsichtigkeit. Wer also, wie der Begriff simuliert, nach rechts offen ist, neigt nicht dazu, jemanden intolerant abzuurteilen. Er hört sich auch andere Positionen an, ohne sich über jene, die sie »die Rechten« nennen – und wer immer damit gemeint ist, konservative Vorstellungen gelten heute ja schon als rechts – moralisch zu erheben. Rechtsoffen oder einfach nur umsichtig seinMan könnte festhalten: Wer rechtsoffen ist, der ist dem dargelegten Wortsinne nach, eigentlich ein recht guter Demokrat. Er man sich ideologisch nicht gemein, da er ja gerade nicht rechts ist – ich wiederhole: Was immer das gerade ist? –, hört Argumenten anderer zu, bleibt tolerant und umsichtig und kommt im Grunde dem nach, was Demokratie leisten soll: Offenheit gegenüber den besten Argumenten, den schlüssigsten Schlussfolgerungen. Offenheit ist schlicht gesagt eine demokratische Grundtugend. Diese nun gewissen Leuten als Kritik um die Ohren zu hauen, zeugt tatsächlich von einer gewissen Verwegenheit. Und sagt auch viel über jene aus, die mit dem Begriff hausieren gehen. Der Duden definiert Offenheit wie folgt: »Aufgeschlossensein, Bereitschaft, sich mit Personen, Fragen, Problemen unvoreingenommen auseinanderzusetzen«. Wie könnte dergleichen eine negative Eigenschaft sein? Wie sollte das für das Gemeinwesen schädlich sein? Wer mit rechtsoffen als Adjektiv hantiert, der gibt mehr über seine eigene demokratische Konstitution preis, als er mit diesem Etikett anderen anheften will. Denn wer anderen Unvoreingenommenheit zum Vorwurf macht, der bestätigt damit, dass er Vorurteile hat und nicht auf sachlicher Ebene bleiben kann, sondern Diskussionen den eigenen Gefühlen unterordnet. Man kann das machen, Menschen haben schließlich Gefühle. Man sollte diese Haltung allerdings nie mit politischem Bewusstsein verwechseln. Das ist sie nicht. Es ist eine gewisse sachliche Verschlossenheit, die die Erniedrigung anderer benötigt, um sich erheben zu können. Es ist schlicht ein faschistoides Grundgefühl, das Offenheit abkanzelt. |