Wir leben in total verrückten Zeiten, in denen alles unter völliger
Vernachlässigung der Realität bis in den totalen Exzess hinein zugespitzt,
übertrieben und umgedeutet wird. Angemessene Interpretationen von Ereignissen
scheinen gegenwärtig geradezu verboten zu sein. Anstelle dessen wird aus jeder
Maus ein Elefant gemacht und aus jedem kleinen Feuerchen ein flammendes Inferno,
meint eXXpress-Kolumnist Bernhard Heinzlmaier.
Schuld daran ist die Allmacht der Bildmedien, deren Imaginationen und
Abstraktionen an die Stelle des Tatsächlichen treten. Die Medien gehen heute
mit der Realität um, wie das Regietheater mit dem Textoriginal des Dramas. Das
hat zur Folge, dass man in die Kammerspiele geht, um sich den „Zerbrochenen
Krug“ von Kleist anzusehen, und tatsächlich in einem visuell affektierten und
sprachlich verschwurbelten Lehrstück zum Thema toxische Männlichkeit landet.
In ähnlich sophistischer Manier, dem Sophismus geht es nicht um den ehrenhaften
Diskurs, sondern um Manipulation und Überredung, haben die deutschen
Mainstreammedien die Veranstaltung einer rechten Kleingruppe zu einer
faschistischen Verschwörung gegen den demokratischen Staat stilisiert. In
Wirklichkeit haben aber lediglich ein paar rechte Politiker über
Massenmigration und Kulturverlust zugespitzt diskutiert. Diese Diskussion
widerspiegelt die Stimmung im Volk vielleicht sogar besser als die
Massendemonstrationen der urbanen Bobos und links-privilegierten Lastenradfahrer
aus den Cottage-Vierteln im Anschluss daran.
Grüne wollen demokratischen Staat in Ökodiktatur "transformieren"
Die Bombe ging deshalb hoch, weil die esoterische Miniatur-Veranstaltung von
einem staatlich geförderten Spitzeldienst ausspioniert und zudem noch
absichtsvoll übertrieben und entstellt an die mediale Öffentlichkeit gebracht
wurde. Der Spitzeldienst kooperiert eng mit der Amadeu Antonio Stiftung, auch
eine Truppe, die hinter jeder Ecke einen Nazi lauern sieht und, welch eine
Ironie, von einer Frau gegründet und geleitet wurde, die von 1974 bis 1982 als
informelle Mitarbeiterin der Stasi tätig war. Damals in der DDR war jeder, der
das Westfernsehen geschaut hat, ein Spion des Imperialismus, heute sind bei uns
alle Umstürzler und Verfassungsfeinde, denen die Migranten aus kulturfremden
Ländern zu viele sind und die sich Gedanken darüber machen, wie man die
Migration mit humanitären Mitteln auf ein vernünftiges Maß reduzieren
könnte. Wie im kommunistischen Terrorstaat DDR wird nun auch im demokratischen
Westen offenbar versucht, die Bürger dadurch einzuschüchtern, indem man schon
das kleinste Abweichen von der Doktrin des medial-politischen Komplexes
skandalisiert und jene, die dafür verantwortlich sind, als Staats-Gefährder an
den Pranger stellt, so als wären sie Mitglieder der Baader-Meinhof-Bande.
In Wirklichkeit geht es aber nicht um die Rettung des demokratischen Staates,
den ohnehin niemand zerschlagen will, außer vielleicht die Grünen, die ihn in
eine Ökodiktatur „transformieren“ wollen. Vielmehr missbraucht man das
Engagement für die Demokratie dafür, um sich mit Hilfe gezielt lancierter
Diffamierungskampagnen der AfD und der FPÖ zu entledigen. Die beiden Parteien
haben nämlich seit geraumer Zeit einen starken Wählerzustrom zu verzeichnen,
für den sie eigentlich gar nichts können. Der einzige Grund dafür ist die
völlig inferiore Politik der regierenden Parteien in Deutschland und
Österreich, die zu wirtschaftlicher Stagnation, Teuerung und der beginnenden
Verarmung der Mittelschichten geführt hat. Schuld daran ist eine
kriegslüsterne, klimahysterische grüne Ideologie, der von den Parteien der
bürgerlichen Mitte aus machttaktischen Gründen nicht entschieden
entgegengetreten wird und die zur immensen Verteuerung der Energie und
explodierenden Ausgaben für Kriegsmaterial geführt hat. Zudem entstehen
horrende Kosten aus der Versorgung von hunderttausenden Flüchtlingen, die
schwer integrierbar und für den Arbeitsmarkt ungeeignet sind. Die Mittel für
die Finanzierung der schrankenlosen Zuwanderung fehlen nun, um die Krisenfolgen
für die Mittel- und Unterschichten abmildern zu können.
Menschen wollen Wiedereinführung der Kernenergie
Die Menschen wollen die Wiedereinführung der Kernenergie, den Import von
preisgünstigem Gas aus Russland, das Festhalten am Verbrennungsmotor und eine
rationale Flüchtlings- und Migrationspolitik jenseits des Hypermoralischen.
Weil das alles von der Linken und den konservativen Parteien nicht kommt, wenden
sie sich dem sogenannten Rechtspopulismus zu. Anstelle die Themen, die unsere
Gesellschaft immer weiter spalten und für Unruhe sorgen, konstruktiv anzugehen
und den Wünschen der Mehrheit der Bevölkerung wenigstens entgegenzukommen,
schalten die Eliten auf stur und versuchen, die zu vernichten, die das Ohr an
der Bevölkerung haben und deren Interessen vertreten wollen. Eines der
größten Feindbilder unserer Tage ist Martin Sellner. Der frühere Anführer
der nun verbotenen Identitären wird geradezu zu einem postmodernen Leo Naphta
hochstilisiert, ein verbohrter, fanatischer Revolutionär, der das gemeine Volk
mit sardonischem Charisma in Richtung eines neuen Faschismus zu manipulieren
versucht.
In Wirklichkeit ist Sellner ein an Harmlosigkeit kaum zu überbietender
gescheiter, aber etwas verstiegener Bursche, dem es in seinem durchaus
bemerkenswerten Buch „Regime Change von rechts“ gelungen ist, eine
originelle rechte Strategie zur demokratisch-evolutionären Umwandlung der
Gesellschaft darzulegen, die samt und sonders auf den Theorien von linken
Säulenheiligen aufbaut. Dadurch erbringt er unbewusst auch den Beweis, dass
rechte und linke Strategien und Taktiken zur Erringung der Macht ganz knapp
nebeneinander liegen. Im Mittelpunkt der Überlegungen Sellners stehen Texte von
Antonio Gramsci und Louis Althusser. Erster wurde von Mussolini ins Gefängnis
geworfen und schrieb dort seine berühmten Gefängnishefte, zweiter war
zeitweilig der Chefideologe der französischen PCF, erwürgte dann aber im Wahn
seine Ehefrau und endete als passivierter Fernsehzuschauer in einem Pariser
Kommunalbau. Rezipiert wurden beide in den 1980er Jahren besonders von der
sozialdemokratischen Linken, die auf Basis ihrer Texte im Rahmen der
„Otto-Bauer-Symposien“ einen dritten Weg zum Sozialismus, zwischen
Kommunismus und sozialdemokratischen Reformismus, zu entwickeln versuchten. An
vorderster Stelle dabei der spätere Wiener Bürgermeister Michael Häupl.
Sellner spricht von "rechter Revolusionstheorie"
Obwohl Sellner von einer „rechten Revolutionstheorie“ spricht, ist die
vorgelegte Strategie ganz im Sinne des Eurokommunismus der 1980er Jahre
demokratisch-reformistisch. Wie bei Antonio Gramsci zu lesen, soll der Kampf um
die Macht auf der Ebene der Kultur im zivilgesellschaftlichen Vorfeld des
Staates geführt werden. In Schulen, an Universitäten, in den Medien, in der
Pop- und Jugendkultur etc. wird das Massenbewusstsein für die rechte
Transformation geschaffen. Ebenso wird auf Althussers Definition der
ideologischen und der repressiven Staatsapparate zurückgegriffen und ganz
richtig festgestellt, dass die bewusstseinsprägende bürgerliche Ideologie der
eigentliche Stabilitätsfaktor des kapitalistischen Systems ist und der Staat
nur auf die repressiven Staatsapparate zurückgreift, wenn ihm ein großer Teil
der Massen die Loyalität aufkündigt. Wie richtig diese theoretische
Überlegung Althussers ist, zeigen die Erfahrungen mit der Herrschaftspraxis des
Corona-Staates, der, je mehr der zivile Ungehorsam zunahm, desto stärker die
autoritäre Praxis des repressiven Leviathans hervorkehrte. Reformistisch, ja
fast humanitär sind die Vorstellungen von Sellner zur Praxis der Remigration.
Von Deportation, wie die linken Spitzel zu insinuieren versuchen, ist bei
Sellner nie die Rede, im Gegenteil, an erster Stelle stehen
„Rückwanderungsanreize“, gefolgt von Strategien der Deislamisierung und
erst danach werden Assimilations- und Remigrationsdruck ins Spiel gebracht.
Nicht einmal ein Anklang an die nationalsozialistische Vernichtungspolitik
gegenüber Minderheiten wie Juden, Roma, Sinti und Homosexuelle, wie es das Wort
„Deportation“ signalisiert, findet man.
Welche Praxis könnte sich nun hinter dem äußerst unglücklichen Wort
Assimilationsdruck, besser wäre es gewesen, von Integrationsdruck zu sprechen,
verbergen? Und was hinter der Rede vom Remigrationsdruck? Ganz einfach,
Maßnahmen, wie sie gerade jetzt in zwei Testgebieten in Thüringen ausprobiert
und später in ganz Deutschland eingeführt werden. Man stellt dort radikal von
Geldleistungen auf Sachleistungen um, das heißt die Flüchtlinge bekommen kaum
Barmittel in die Hand, der überwiegende Teil der Unterstützungsleistungen wird
über eine Bezahlkarte abgewickelt. Von den 740 Flüchtlingen im Testgebiet sind
bereits fünfzehn ausgereist. Begründung: Wir wollen keine Karte, wir wollen
Bargeld. Eine Mitarbeiterin der Flüchtlingshilfe meint dazu, dass sich durch
die Maßnahme die Spreu vom Weizen trennen würde. Die Leute mit echtem
Fluchtgrund würden bleiben, die Einwanderer ins Sozialsystem weiterziehen,
dorthin, wo es mehr zu holen gibt. In Österreich wäre ihr Ziel wohl das
großzügige Wien.
Nur noch zur Klarstellung. Mich trennt vieles von Martin Sellner. Ich will
keinen starken Staat, keinen kulturellen Homogenitätsdruck, keine beengende
Gemeinschaftlichkeit. Bei mir kommt das Individuum vor allen Ideologien, die von
verschworenen Gruppen oder Klassen handeln. Es ist aber nicht einzusehen, dass
ein Mensch gezielt missinterpretiert, zum Aufhänger für eine feige
Verbotskampagne gemacht und durch das Wort „Deportation“ in die Nähe des
NS-Staates gerückt wird. Den wahren Demokraten erkennt man daran, dass er sich
gegen alle Formen des Totalitarismus wendet, egal ob sie von links, von rechts
oder aus der Geisteswelt des religiösen Wahns kommen. Den Beweis für eine
solche Haltung haben die linken Dauerempörten und Faktenchecker noch
anzutreten.