Kollabiert Polen unter den Lasten des Ukrainekrieges? Polnische Söldner stellen die größte Gruppe an Gefallenen in ukrainischen Uniformen. Etwa vier Millionen Ukrainer sind vor dem Krieg nach Polen geflüchtet und werden dort versorgt. Wie geht das polnische Volk damit um? Weiß es überhaupt Bescheid? Die polnische Regierung gibt sich sehr zurückhaltend bei der Preisgabe von Informationen.
Einer, der weiß, was los ist in Polen, ist der Historiker und Publizist Mike Krupa vom Sender "votumTV”. Er hat sich eingehend mit den Belastungen des Ukrainekrieges für Polen beschäftigt. Das fundamentale Problem hinter der fehlenden Information des polnischen Volks, so Krupa, sei die Tatsache, daß nicht nur die polnischen Staatssender, sondern auch private Medienunternehmen, die großenteils von amerikanischem Kapital gesponsert werden, kein Interesse daran haben, ein realistisches Bild der Lage zu zeichnen. Sie alle hätten sich für ein gemeinsames Narrativ entschieden, was den Ukrainekrieg angeht. Diesem Narrativ zufolge ist die Ukraine ein Leuchtfeuer der Demokratie, Wladimir Putin hingegen ein Diktator - und der einzige Weg, einen Frieden in der Ukraine zu erzielen, sei der, mehr Waffen dorthin zu liefern. Das sei die Generallinie, welcher der polnische Medien-Mainstream folgt. Gottlob gebe es aber das Internet, YouTube, Rumble und alternative Medien, eine ganze Reihe anderer Informationsquellen also, deren Berichte mit dem amtlichen Narrativ nicht unter einen Hut zu bringen sind. Immer mehr Polen falle deshalb auf, daß ihr Land seit dem Februar 2022 nur Opfer bringe, ohne im Gegenzug in irgendeiner Weise zu profitieren, weder unter geopolitischen noch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Tatsächlich seien seit dem 24. Februar 2022 an die zehn Millionen Ukrainer über die Grenze nach Polen gekommen. Die oben erwähnten vier Millionen seien nur die, die dauerhaft geblieben sind. Darin enthalten seien allerdings auch jene zwei Millionen Ukrainer, die schon vor dem Krieg in Polen eine Arbeit gefunden hatten.
Nicht so antirussisch wie gedacht
Nicht nur in westlichen Ländern, so Krupa, sei medial der Eindruck kreiert worden, die Polen seien wie sonst niemand auf der Welt geschlossen einig in ihrer Beurteilung der Lage und komplett antirussisch eingestellt. Das jedoch sei absolut nicht der Fall. Bei weitem nicht alle Polen seien "Neocons” in einem amerikanischen Sinne. In den großen Städten des Landes, wo auch die westlichen NGOs mit ihren Propagandisten vertreten sind, sei das zwar so, auch bei denjenigen, die seit Sowjetzeiten der Überzeugung sind, Polen müsse Russland bis ans Ende aller Tage bekämpfen, aber die repräsentierten nicht den durchschnittlichen Polen. Die Mehrheit des polnischen Bevölkerungsquerschnitts widerspreche der im Westen verbreiteten Annahme, sie allesamt würden regelrecht darauf brennen, für die Ukraine und gegen Russland jedes erdenkliche Opfer zu bringen.
Im Gegenteil sei es so, daß sich immer mmehr Polen fragen, wie es eigentlich kommt, daß immer mehr ukrainisch und auch russisch gesprochen wird in ihrem eigenen Land. Sie seien nicht einverstanden mit dem medial transportierten Regierungsnarrativ von den Vorteilen, die es für Polen angeblich habe, sozusagen ein binationales, ukrainisch-polnisches Land zu werden. Begründet wird das von Medien und Regierung gern mit einer historischen Entwicklung dahingehend, daß ein polnisch-ukrainisches Bollwerk gegen Russland entstehe, finanziert von der NATO und den USA, innerhalb welchem über kurz oder lang sogar die Grenze zwischen Polen und der Ukraine wegfallen wird. Daß diese Grenze zugleich eine EU-Außengrenze ist, scheint dabei niemanden zu stören.
Der Schatten der Geschichte
Augenblicklich jedoch würden die Grenzkontrollen wieder verschärft, nachdem sogar das polnische Ministerium für Soziales bestätigte, was auch in Deutschland schon beobachtet wurde, nämlich, daß viele Ukrainer lediglich einreisen, um sich mit Sozialleistungen als Flüchtligen versorgen zu lassen, um als nächstes in ihre Heimat zurückzukehren. In Deutschland bezog bekanntlich "Oppositionsführer" Friedrich Merz mediale Dresche dafür, daß er von "Sozialtourismus" gesprochen hatte. Die Polen beobachten also ein identisches Phänomen. Die Millionen von Ukrainern, die nach Polen hereinströmen, würden von den meisten Polen entgegen der Regierungspropaganda als das größte Problem identifiziert, das angegangen werden muß. Die Gründe dafür seien nicht nur materiell-finanzieller, sondern auch kultureller und historischer Natur.
Die haßerfüllten Differenzen zwischen Ukrainern und Polen von vor dem Zweiten Weltkrieg und währenddessen seien vielen Polen noch im kollektiven Gedächtnis geblieben, so Mike Krupa. Er macht dann Ausführungen zum Zusammenleben der Ruthenen mit den Polen am Beispiel der Karpaten in der Zwischenkriegszeit und dem Erstarken eines ukrainischen Nationalismus unter Stepan Bandera, dem sich die Ruthenen damals angeschlossen hatten und stellt so eine Verbindung zum unvergessenen Massaker der Banderisten in Wolhynien anfangs der Vierziger Jahre her, an dessen viehische Grausamkeit noch nicht einmal die Gräueltaten von Wehrmacht oder der Roten Armee heranreichten. Krupa hält die Idee eines ukrainisch-polnischen Bollwerks gegen Russland für keine besonders haltbare Idee.
Polen als Söldner
In der Tat sei es so, daß die polnische Nation eine Rolle als führender NATO-Trottel angenommen hat, getrieben von einer Regierung, die nicht nur jener US-Doktrin folgt, welche US-Verteidigungsminister Lloyd Austin bei seinem Besuch in Warschau im April ausformuliert hatte und die darin besteht, Russland so weit zu schwächen, daß es eine vergleichbare Invasion wie die in der Ukraine so schnell nirgendwo anders durchführen kann, sondern die polnische Regierung gehe noch darüber hinaus und befürworte eine Eskalation des Ukrainekriegs regelrecht. Wieviele Polen tatsächlich in ukrainischen Uniformen gegen Russland kämpfen, könne er nicht genau sagen, weil sich die polnischen Medien in dieser Frage sehr bedeckt halten. Es müssten aber sehr viele sein. Um die Gefallenen, die in Särgen in ihr Heimatland zurückkehren, gebe es auch nicht viel Aufhebens in den Medien. Indizien dafür, wie viele Polen tatsächlich in der Ukraine kämpfen, habe es aber unfreiwillig an Weihnachten gegeben, wie Tschetschenen und Russen beobachtet hätten. Nachdem sie wochenlang den Funkverkehr abgehört hatten und dabei feststellen mussten, daß er mehr auf polnisch als auf ukrainisch geführt wird, sei an den katholischen Weihnachtsfeiertagen vom 24. bis zum 26. Dezember nichts mehr zu hören gewesen. Die Orthodoxen, also auch die Ukrainer, feiern Weihnachten bekanntlich am 6. Januar.
Wie gehen Polen mit den spärlichen Informationen über ihre gefallenen Landsleute in der Ukraine um? Mike Krupa zufolge wurden Ende Oktober, Anfang November in den sozialen Medien sehr aufmerksam die Reportagen von zwei polnischen Söldnern verfolgt, die nach eigener Auskunft für "Freiheit und der Unabhängigkeit der Ukraine samt aller westlichen Werte" in den Krieg gezogen waren. Einer von ihnen sei kurze Zeit später ums Leben gekommen. Etwa 80 Prozent der Kommentare in den sozialen Medien seien ausgesprochen negativ gewesen. Der Grundtenor habe seinen Ausdruck in der vielfach gestellten Frage gefunden, was die Beiden dort zu suchen gehabt hätten. Die einzige einleuchtende Antwort sei die, daß es sich eben um Söldner handelte, die für Geld kämpfen und nicht für irgendwelche edlen Motive. Mit polnischem Heroismus habe das nichts zu tun. Die Beiden seien eben ausgezogen, um in einem amerikanischen Proxykrieg gegen Russland zu kämpfen. Mit einer Verteidigung Polens sei das nicht zu begründen.
Über eine polnisch-ukrainische Union
Mike Krupa zu der Frage, ob es ein polnisches Plädoyer für den Anschluß der Westukraine ans polnische Staatsgebiet gibt, also eine Aufteilung der Ukraine zwischen Polen und Russland nach der unausweichlichen ukrainischen Niederlage: Eine regierungsamtlich eingeräumte Absicht sei dies nicht. Aber es seien kommunikative Tendenzen zu beobachten, die eine solche Entwicklung in der Form eines polnischen Alleingangs außerhalb der EU- oder der NATO-Kontrolle befürworten. Ob diese Tendenzen maßgebliches Momentum gewinnen werden, kann Krupa nicht sagen. Diskutiert worden war das im vergangenen Sommer schon einmal, als darüber nachgedacht wurde, ob sich Polen nicht sogar ins ukrainische Parlament wählen lassen können sollten.
Eine Frage, die allerdings groß im Raum stehe, sei die, was mit all den ukrainischen Flüchtlingen geschehen soll, die angesichts einer bevorstehenden russischen Großoffensive zu erwarten sind, möglicherweise auch aus Weißrussland. Hier ist die Rede von einem Protektorat in der Westukraine, wo sich diese Flüchtlinge sammeln könnten. Es müsste unter internationalen Schutz gestellt werden. Was allerdings Russland bzw. Weißrussland davon halten, sei bislang nicht klar. Ob dieses Protektorat dann schleichend zu polnischem Staatsgebiet werden würde, sei ungewiß. In Polen gebe es aber auch kaum jemanden, der das als erstrebenswert betrachtet. Das könne sich allerdings im Lauf der kommenden Wochen und Monate noch ändern.
Die deutsche Sicht
Aus deutscher Sicht entsteht zunehmend der Eindruck, daß die USA sich entgegen ihrer eigenen Verlautbarungen bereits auf einen verlorenen Ukrainekrieg einstellen, resp. damit, daß die Russen die amerikanische Einflußsphäre nach Westen zurückverschieben werden - und daß der neue Frontstaat entlang des neuen Eisernen Vorhangs Polen sein wird, ergänzt um die Länder des Baltikums. Als solcher wird Polen natürlich dazu benützt werden, den amerikanischen Wachhund über die außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik zu Russland zu spielen, was wiederum bedeutet, daß sich die deutsch-polnischen Beziehungen anspannen werden.
Es ist nach wie vor das große Ziel der USA, ein Zusammentreffen von westeuropäischem Know-How mit russischen Ressourcen zu unterbinden, um sich wirtschaftliche Konkurrenz vom Leib zu halten - und Polen wird dabei eine tragende Rolle für die Amerikaner spielen. Die Polen werden zu den neuen europäischen Hätschelvasallen der USA werden. Deutschland hat in dieser Funktion ausgedient.