Moralischer Narzissmusvon Alexander Meschnig Die Anzahl und zeitliche Koordination der deutschlandweiten Demonstrationen seit den gemeinsamen Abstimmungen von Union und AfD im Bundestag lassen auf bereits im Vorfeld gut organisierte Gruppen und NGOs schließen, die in weiten Teilen über staatliche Fördermittel alimentiert werden. Die Regierung lässt mit finanzieller Unterstützung – verlässlich flankiert von der öffentlich-rechtlichen Medienberichterstattung – in der finalen Phase des Wahlkampfes so ungeniert gegen die Opposition demonstrieren. Zigtausende Bürger dürfen sich aktuell, vom eigenen Mut und Widerstand berauscht, als Nachfahren der Weißen Rose fühlen. Denn es geht ja „gegen Nazis und gegen 1933“, wie auf vielen Plakaten zu lesen ist. Die Diffamierung des politischen Gegners im rechten Spektrum endet in Deutschland bekannterweise stets in einer Art Nazitourette. Für die SPD ist der „antifaschistische Kampf“ dabei eine Form der Identitätserzählung. Auf einem der aktuellen Wahlplakate können wir lesen: „Keine Zusammenarbeit mit Nazis. Seit 1863“, also schon bevor es überhaupt Nazis gab. Die in der Debatte rund um den Vorstoß von Merz implizite Gleichsetzung der Forderung der Abschiebung illegaler Migranten mit den Deportationszügen nach Auschwitz ist unsäglich und eine groteske Verharmlosung der nationalsozialistischen Verbrechen. Parallel zur Diskreditierung Andersdenkender berauschen sich linke Politiker, Medien und die sogenannte Zivilgesellschaft an der eigenen moralischen Überlegenheit. Man suhlt sich im Kampf „gegen rechts“ und gratuliert sich selbst zum eigenen Gratismut. Symbolisch steht dafür das in den sozialen Medien weit verbreitete Selfie bestens gelaunter grüner Politiker zwei Tage nach den Morden in Aschaffenburg am Brandenburger Tor. Neben einer Verhöhnung der Opfer und ihrer Angehörigen zeugt es geradezu von einem Höchstmaß an Empathielosigkeit. Nur die öffentlich-rechtlichen Haltungsmedien verhinderten, dass das Bild lachender Politiker, anders als bei Armin Laschet 2021 nach der Ahrtal-Katastrophe, nicht zum grünen Supergau wurde. Auf die Staatsmedien kann sich die Partei der Grünen weiter verlassen. Der Verlust jeglicher Empathie, im eigentlichen die Unfähigkeit sich in die Lage anderer zu versetzen, ist, so der österreichische Neurologe und Psychotherapeut Raphael Bonelli, das wesentliche Kennzeichen eines moralischen Narzissmus. Letzterer beschreibt eine psychische Störung, bei der Menschen ein übersteigertes Gefühl der eigenen Bedeutung, ein starkes Bedürfnis nach Bewunderung und einen eklatanten Mangel an Empathie besitzen. Dazu kommt eine manifeste Selbstüberschätzung – ich muss die Welt vor dem Faschismus retten – und die Erwartung, aufgrund der eigenen Haltung bevorzugt behandelt zu werden. Der moralische Narzissmus idealisiert die eigene Weltanschauung, die zur einzig möglichen Meinung, ja zur Wahrheit schlechthin wird. Dialog und Kompromiss sind hier nicht mehr möglich. Der moralisch Erhabene kennt keinen Zweifel und hat für alles Abweichende von der eigenen Ideologie nur Verachtung übrig. Die Empörung darüber, dass ein Gegenüber andere Meinungen vertritt, die Fassungslosigkeit, dass es Menschen gibt, die über Migration, Rassismus oder Klima anders denken können als man selbst, hat wohl jeder von uns im Alltag schon erleben müssen. Die Abweichler werden zu Unberührbaren, deren bloße Existenz bereits eine Zumutung darstellt. Es gibt hier keine gemeinsame bewohnbare Welt mehr, da dem anderen der Status des Menschseins abgesprochen wird. Ein besonders krasses Beispiel für den moralischen Narzissmus ist die heute noch von vielen Linken verehrte RAF-Terroristin Ulrike Meinhof: „Wir sagen natürlich, die Bullen sind Schweine, wir sagen der Typ in Uniform ist ein Schwein, das ist kein Mensch, und so haben wir uns mit ihm auseinanderzusetzen. Das heißt, wir haben nicht mit ihm zu reden, und es ist falsch, überhaupt mit diesen Leuten zu reden, und natürlich kann geschossen werden.“ Geschossen wird heute zwar noch nicht, aber der Hass und die Wut der sich selbst als tolerant und weltoffen Gebenden wird derzeit überdeutlich und man will sich nicht vorstellen, was ohne den Schutz der Polizei geschehen könnte. Man muss kein AfD-Wähler sein, ja nicht einmal ein Sympathisant dieser Partei, um den Hass und die Entmenschlichung abscheulich zu finden, der sich täglich ungehemmter offenbart: Dieser Hass trifft nun auch Kanzlerkandidat Merz und Teile der CDU. Für die Opfer der eigenen Politik bleibt man aber weiter vollkommen empathielos, dafür findet man stets Ersatzobjekte für die moralische Empörung. So wurde etwa dem amerikanischen Kriminellen George Floyd unendlich Aufmerksamkeit gegeben, bis hin zu Massendemonstrationen gegen Polizeigewalt in den USA, während die zahlreichen Opfer der Zuwanderungspolitik niemanden interessieren und in der Regel nach den Verbrechen, neben der Warnung vor einer Instrumentalisierung, eine Demo „gegen rechts“ folgt. Es ist in Deutschland vollkommen undenkbar, dass ein Einstehen für die Opfer der Politik der offenen Grenzen, und sei es auch nur eine Mahnwache, nicht unter Naziverdacht gerät. Die nun in unzähligen Städten stattfindenden Demonstrationen „gegen rechts“ sind im Eigentlichen Staatsaufmärsche, bei denen die Regierung mit der sogenannten Zivilgesellschaft gegen die Opposition demonstriert, etwas, das wir bisher nur aus totalitären Staaten kannten. Die bürgerlich-konservativen Teile der Gesellschaft können dem offenbar nichts entgegensetzen, obwohl alles dafür spricht, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung für eine Begrenzung der Asylzuwanderung ist. Am 23. Februar werden wir sehen, ob diese schweigende Mehrheit tatsächlich existiert. Quelle: „Kontrafunk aktuell“ am 11. Februar 2025, hier auch mp3-Audio-Datei. |