Wie SPD-Urgestein Klaus von Dohnanyi die NATO-Propaganda widerlegte

Von Gast-Autor — erschien am 30. März 2022 in Compact
Die NATO. Bild: shutterstock.com/Bennian

Es folgt ein Leserbrief, der sich mit der Infobox „Zum Verstummen gebracht” in unserer Ausgabe 4/2022 beschäftigt. Es geht darin um den Auftritt von Klaus von Dohnany in der Sendung von Maybritt Illner „Krieg in der Ukraine„, bei der ihm der Ton abgedreht wurde. Der Leser weist aber darauf hin, dass der SPD-Politiker dennoch sehr wichtige Anmerkungen rüberbringen konnte. Hier ein Auszug aus der Zuschrift.

Der geplante NATO-Beitritt der Ukraine

So servierte Klaus v. Dohnanyi (92) bei Illner – etwa Minute 12 bis 14 – eine sehr plausible Erklärung für den Ukraine-Krieg, bislang die Einzige, die mir als Politologen kongruent zu den weiteren Geschehnissen passt:

Er führte nämlich aus, die NATO hätte am 14.06.2021 zu Brüssel wider Anraten aller Regierungs-Berater und sonstig kompetenter Fachleute einstimmig beschlossen: „Die Ukraine kommt in die NATO!”

Auch Deutschland und Frankreich stimmten Dohnanyi zufolge zu (anders als zuvor 2008), ein konstitutioneller Beschluss der NATO-Staatsoberhäupter war auf Druck der US-Regierung unter Joe Biden gefasst worden – mit katastrophalen Folgen für Europa.

Klaus von Dohnanyi (SPD). Bild: shutterstock.com/Markus Wissmann

Diese bedeutsame NATO-Info sei „durchgerutscht”, weil da „irgendeiner mal wieder die Klappe nicht halten konnte!” (Dohnanyi)

Das muss man erst einmal sacken lassen, um die ganze Dimension dieser Offenbarung zu begreifen. Denn angesichts der Einbindung Klaus von Dohnanys in die Atlantikbrücke sowie seiner sonstigen Informationskanäle gibt es meines Erachtens nicht den geringsten Zweifel an der Richtigkeit seiner Nachricht.

Der sensationelle Redebeitrag des blaublütigen Hagestolzes (Illner war übrigens danach zwei Wochen krankgeschrieben) blieb unwidersprochen und löste zum Zeitpunkt der Äußerung eine schockartige Starre unter den Talk-Gästen aus – sehr sehenswert, wie sich zum Beispiel Herr Merz aufführte: Haltungsnote 6 (ungenügend), man hat den Eindruck, der CDU-Parteiführer wäre am liebsten unter den Tisch gekrochen.

Ich lauschte und äugte nun und war gespannt, auf den öffentlichen Nachhall auf diese sensationelle Nachricht des scharfsichtigen SPD-Mannes der alten Garde. Doch siehe da, ein Wunder geschah: In den folgenden Tagen in den Zeitungskritiken zur Sendung Maybritt Illner „Krieg in der Ukraine” nirgendwo auch nur ein Sterbenswörtchen zu Dohnanyis – unglaublich erhellender! – NATO-Behauptung. Fast so, als hätte es sie nie gegeben: Ich rieb mir die Augen. Wie konnte das nur angehen? Und schaute die Sendung noch einmal. Hatte ich mich getäuscht?

Nein, die Bemerkung war gefallen und zwar im Kontext der Definition einer gewissen Eigenverantwortung der NATO-Staaten am Ausbruch des Ukraine Krieges.

Merkel

Frau Ex-Kanzlerin Merkel hätte nun blitzschnell die Sache klarstellen können, denn schließlich war vor einem Millionenpublikum aus erlesener Kehle die Behauptung aufgestellt worden, die Altkanzlerin habe mit ihrer NATO-Beschluss-Zustimmung ursächlich zum Ausbruch des Ukraine-Krieges beigetragen:

„Nie habe ich solch einem kriegsprovozierenden NATO-Beschluss zugestimmt!”

Doch sie schwieg.

Klaus von Dohnanyi legte in jener Sendung, und später erneut, anlässlich seines TV-Auftritts in der Hyänenhöhle „Markus Lanz” nahe:

Erster Kriegsgrund für die Russische Föderation sei eben genau diese NATO-Grenzüberschreitung gewesen.

Schließlich habe die russische Regierung (Lawrow/Putin) mehrmals vor solch einem Beschluss zur mittlerweile sechsten NATO-Osterweiterung gewarnt.

Explizit sei gesagt worden: Russland würde eine solche Entscheidung der NATO nur als „Kriegserklärung der NATO an Russland” auffassen können. Recht hat Dohnany, man lese nur die Schriften und Reden diesbezüglichen auf der Homepage des Außenministeriums der Russischen Föderation, die auch in deutscher Sprache vorliegt.

Weiter gedacht aus eigener Sicht:

Der NATO-Beschluss musste Russland zum Krieg zwingen, falls der Westen nicht willens war, ihn zu widerrufen. Und das war er eben nicht, trotz monatelanger, zunächst „rätselhafter” russischer Militäraufmärsche und „beängstigender Pseudo-Übungen” der Russischen Föderation im Grenzgebiet zur Ukraine:

Joe Biden und seine schwächelnde Regierung wollten davon rein gar nichts wissen, mochte Kanzler Scholz auch in Washington noch so darum betteln:

Da lieber doch Krieg im weit entfernten Europa provozieren, zumal dieser Konflikt dem amerikanischen Präsidenten willkommenen Anlass und Möglichkeit gab, innen-und außenpolitisch als starker Mann, Held und US-amerikanischer Retter Europas in Position zu gehen: Vom Saulus zum Paulus!

Man sieht: Die Russen wollten zunächst gar nicht kämpfen, nur drohen, um katastrophale Entscheidungen der NATO- zu revidieren.

Wer nun aber den NATO-Beschluss forcierte und durchsetzte, steuerte der nicht bewusst und eiskalt auf einen Krieg in Europa hin, wollte der nicht wirklich einen europäischen Krieg herbeiführen?

„Cui bono?”

Meine Frage, anknüpfend an ganz verschiedene strategische Interessen der Vereinigten Staaten und Europas:

Europe’s Suicide / Americas benefit?

Genauer: Sollte es möglich sein, dass sich hier in dieser Situation, März 2022, eine bereits zweimal vorexerzierte, außerordentlich erfolgreiche US-Strategie im Umgang mit Europa wiederholen könnte (1914 / 1939)? Mit dem angenehmen Nebeneffekt einer Schädigung der Volksrepublik China:ybr>Die läuft ja nun Gefahr, einen starken, russischen Verbündeten zu verlieren, falls Ukraine und Russland sich weiterhin ineinander verbeißen und in ihren Kräftepotenzialen neutralisieren sollten:

Europa der Vaterländer. Bild: shutterstock.com/Vahe 3D

Auf europäischer Ebene gibt es jedenfalls nur Verlierer. Die Nationalismen und nationalen Interdependenzen werden gegeneinander ausgespielt, eine gleichgeschaltete Medienwelt hysterisiert, dämonisiert und idealisiert. Die Abhängigkeit zur USA wird vertieft durch kollektive europäische Ängste hinsichtlich eines kriegerischen Flächenbrandes – der von Russland überhaupt nicht gewollt ist.

Alles schaut gen Osten – doch eine Lösung des Problems wäre allenfalls vom Westen her zu erwarten, nämlich seitens der USA: Und die wird einen Teufel tun und eher weiter Öl ins Feuer schütten, als den Brandherd löschen: denn was interessiert sie die Ukraine und die europäische Sicherheit – zumindest solange ihre zerstörerische Subversionsarbeit nicht droht, öffentlich zu werden?!

Gerade das muss jetzt passieren!

West-Europa muss vom Bangen, Betteln und Klagen zum Verstehen und Durchsetzen der eigenen Interessen zurückgeführt werden.

Eine Welle der Wut und Empörung muss in Europa ertönen, so laut und brachial, dass auch im fünftausend Kilometer entfernten Washington etwas davon ankommt. Joe Biden: Vom starken Mann wieder zurück zum tückischen Greis und kalten Krieger a la Ronald Reagan.