„Wir sind mehr“
ist eine reaktionäre Bewegung

Zuerst erschienen am 8. Februar 2024 bei PI-News

Gaben den Anstoß für die bundesweiten Proteste gegen die AfD: Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock bei der Auftaktdemo in Potsdam Mitte Januar.

Von WOLFGANG HÜBNER | Wenn in ganz Deutschland größere Menschenmengen auf die Straße gehen und Kundgebungen abhalten, um gegen „Rechts“ und speziell die einzige Partei zu demonstrieren, die dem politisch-medialen Machtkomplex Paroli bietet, ist es von größter Bedeutung, welchen Charakter und welche Perspektive dieses vorgebliche „Aufstehen für die Demokratie“ hat. Sind es wieder mal, wenngleich in besonders großer Zahl, die üblichen Verdächtigen, also Anhänger der Grünen, SPD, Linken und Linksextremen? Marschiert die gesammelte staatsabhängige Kulturszene mit? Ist die genusssüchtige jüngere Erbengeneration auch aus Angst vor „Deportation“ ihrer migrantischen Dienstleister mit von der Partie? Sind die Enkel und Urenkel Hitlers in Sorge vor dessen Wiederauferstehung als Alice Weidel oder in Gestalt eines jungen frechen Österreichers?

Solche Motive und noch etliche mehr dürften daran beteiligt sein, dass die Straßen und Plätze in den Großstädten, aber auch in kleineren Kommunen gut gefüllt sind, wenn sich die „Zivilgesellschaft“ öffentlich als die wahre Mehrheit der Deutschen präsentiert. Und natürlich waren und sind die Systemmedien samt darbenden Kartellparteien vor Freude außer sich über den in diesem Ausmaß nicht erhofften Rückhalt. Dass dieser auf einer üblen, inzwischen als lügnerisch entlarvten Inszenierung fußt, spielt so wenig eine Rolle wie vormals im Jahr 2000 die politisch instrumentalisierten Ereignisse, die zum Anlass für den berüchtigten „Aufstand der Anständigen“ genutzt wurden.

Damals wie heute befand sich Deutschland in einer krisenhaften ökonomischen Situation. Damals wie heute war die Erzeugung einer „antifaschistischen“ Hysterie im Interesse der Herrschenden. Und damals wie heute sind SPD und Grüne an der Regierung in Berlin. Doch gibt es einen bedeutsamen Unterschied zwischen 2000 und 2024: Nämlich die heutige Existenz einer aufstrebenden rechten Partei mit Millionen Wählern sowie den steilen Absturz der SPD und den weitverbreiten Hass auf die grünen Volksdompteure. Anders als 2000 gibt es im Land nun auch die wohlbegründete Angst vor dem finalen Ende der guten Zeiten für die Masse der Deutschen im wertewestlichen Vasallenstaat.

Das versetzt auch und gerade diejenigen in Unruhe, die deshalb Einbußen ihres Einflusses und gesellschaftlichen wie ökonomischen Profits befürchten. Wie immer in solchen Situationen wird ein Schuldiger, eine „Macht des Bösen“, gesucht, der für den schon sehr spürbaren nationalen Niedergang verantwortlich gemacht werden soll. Der bequemste und wehrloseste Prügelknabe ist nach Lage der Dinge die „Rechte“, ist die AfD. An ihnen kann auch der saturierte Wohlstandsbürger mit „ZEIT“-Abonnement und Pensionsberechtigung mal sein Mütchen im so freudigen wie risikolosen Massenerlebnis der „Guten“ kühlen. Tatsächlich ist es nur die hilf- und perspektivlose Reaktion auf Entwicklungen in Politik und Gesellschaft, die als bedrohlich empfunden werden. Dass die „Correctiv“-Bombe genau in die eskalierenden Bauernproteste gezündet wurde, war kein Zufall, sondern bewusst gewollt.

Wenn eine nicht unbedeutende Zahl von Bürgern auf ihr Unbehagen am deutschen Niedergang nicht mit Kritik an dessen Verursachern reagiert, sondern sich einen Sündenbock sucht, um ihn zum Schweigen zu bringen, ihn verächtlich machen und ausgrenzen will, dann ist das im schlechtesten Sinne: Reaktionär. Denn es ist der (angstvolle) Blick nach hinten, nicht nach vorne, der in Wahrheit so viele auf die Straßen treibt. Sie ahnen oder fühlen schon, dass nichts so bleiben wird, wie es war. Die Einbildung, die realpolitisch machtlosen „Rechten“ verursachten die Vertreibung aus ihrer Idylle, hat wahnhafte Züge und ist dadurch besonders aggressiv bis hin zu Tötungsfantasien.

Reaktionärer Wahn ist zwar gefährlich, aber auch perspektivlos. Denn er wird an den Realitäten zerschellen. Da er so weit verbreitet ist und staatliche Förderung überreichlich genießt, wird dieser kollektive Wahn das einstweilige Scheitern Deutschlands als Nation und Staat beschleunigen. Keine guten Aussichten, aber gewiss auch nicht das Ende der Geschichte.